Description
MUSEUM – EIN THEATRALER RAUM
Christof Cremer für MAMUZ
Aufgabenstellung
Im Rahmen der Vorbereitung der Niederösterreichischen Landesausstellung „Brot und Wein“ 2013, wurde in Schloss Asparn/Zaya der Ausbau des Dachgeschosses vorgenommen. Die letzten beiden Jahre wurden genutzt, um eine Neupositionierung der Landessammlung der Ur- und Frühgeschichte vorzunehmen und die Neupräsentation in den drei Geschossen des Schlosses zu konzipieren. Die Dachmarke MAMUZ, die das Urgeschichtemuseum Niederösterreich Asparn/Zaya und das Museum Lebenswelt Weinviertel im Museumszentrum Mistelbach vereint, wurde geschaffen. MAMUZ – Das neue Erlebnismuseum und Wissenszentrum für Urgeschichte, Frühgeschichte und Mittelalterarchäologie. Somit wird die vormalige Sammlungspräsentation von Urgeschichte bis zum Hochmittelalter erweitert. Eine Bereicherung im wahrsten Sinne des Wortes bildet die Präsentation des so genannten Schatzes von Wiener Neustadt. Matthias Pacher, Gesch.ftsführer von MAMUZ, ist an mich und mein Team mit der Aufgabenstellung herangetreten, Schloss Asparn/Zaya in ein künstlerisch gestaltetes Museum mit implementierter Ausstellung zu verwandeln.
Ein Kostüm- und Bühnenbildner gestaltet ein Museum
Museen sind in der hier gemeinten Form im besten Sinne theatrale Orte. In Theater und Museum werden Geschichte und Geschichten erzählt. Es sind Orte der Präsentation und der Repräsentation. Die Aufgabe eines Bühnenbildners genau wie die Aufgabe eines Raumgestalters ist es Inhalte in Formen zu übersetzen und dadurch erzählende Räume zu schaffen. Auf der Bühne sind Sänger, Schauspieler oder Tänzer die Hauptdarsteller; im Museum sind es die Ausstellungsobjekte. Darsteller und Ausstellungsobjekte wollen und müssen ins rechte Licht gerückt werden! Die Räume sind dazu da, ihnen die gewünschte Aura zu verschaffen bzw. sie so zu unterstützen, dass sie ihre eigene Aura entfalten können, damit das Spiel zwischen Objekt und Betrachter beginnen kann, die Objekte ihre Geschichte erzählen können und der Betrachter bereichert das Museum wieder verlässt.
Verstehen
Ein kreativer Prozess beginnt immer mit dem Verstehen: Verstehen der Inhalte, der Hintergründe, der Ziele des Auftraggebers. Dem Verstehen vorausgehend ist eine lange Phase des Zuhörens und Lesens. Kuratoren und Wissenschaftler präsentieren ihre Konzepte und Ihr Wissen. Sie stellen Material zur Wissensvertiefung zur Verfügung. Sie erzählen die Geschichten die hinter den Objekten stecken und lassen in ihren Schilderungen Geschichte lebendig werden. In unzähligen Sitzungen werden Erzählstränge aufgezeigt, werden Epochen und deren Besonderheiten erklärt, werden einzelne Objekte oder Funde präsentiert und quasi für den Gestalter Crash-Kurse abgehalten. Zuhören, Erklären, Nachfragen, erneutes Erklären – schließlich Verstehen. Nur was ich verstehe, kann ich in Raumgestaltung übersetzen. Raumgestalten heißt Inhalte in räumliche Formen übersetzen.
Gestalterische Leitlinien
Auf Basis der Vorgaben der Auftraggeber und der Kuratorinnen und Kuratoren wurden gemeinsam inhaltliche und gestalterische Leitlinien entwickelt. Schloss Asparn/Zaya ist ein historisches Gebäude. Der Besucher soll während des Rundgangs immer wieder spüren, dass er sich in einem solchen befindet, bauhistorisch bedeutende Räume sollen möglichst frei von architektonischen Einbauten bleiben. Es wurde entschieden thematisch zusammengestellte, exemplarische, erzählende Objekte – allerdings immer in den Konnex des jeweiligen Fundkomplexes gestellt – zu präsentieren und somit eine Schau der größten Highlights der Landessammlung zu inszenieren. Denn der gestalterische Grundansatz sieht – im Gegensatz zu üblichen reinen Vitrinenmuseen – ein inszeniertes Museum vor. Die Aufgabe der Gestaltung ist es, dem Besucher durch die Raumgestaltung neue Assoziationen anzubieten. Dadurch soll über die rein kognitive Wahrnehmung der Exponate hinaus ein emotionales Erleben ermöglicht werden.
Die Gestaltung übersetzt Themen in Formen und Räume, Inhalte werden bebildert – aber nicht rekonstruiert – und werden damit für den Betrachter neu und intensiver erfahrbar und greifbar. Die Gestaltung hat keinen Selbstzweck, sondern eine dienende Funktion, sie dient den Objekten und zu vermittelnden Inhalten. Bewusst wurde die Entscheidung für ein Low-Tech-Museum getroffen. Teil des Ausstellungskonzepts ist es direkte Gestaltung und Multimediaelemente auf das Nötigste zu reduzieren. Frei nach dem Motto: Museum ist real erlebte Geschichte, ein realer Ort mit realen Objekten der nicht im Cyberspace stattfindet. Im MAMUZ Schloss Asparn/Zaya werden Multimediaelemente als künstlerisches Gestaltungsmittel und – wo notwendig – zur Wissensverdeutlichung und Wissensvertiefung eingesetzt.Die Oberflächen in den einzelnen Räumen wurden
von Theatermalern ausgeführt, gedruckte Oberflächen
wurden fast ausschließlich nur für Texte verwendet.
Auch mit dieser Leitlinie kommen wir dem Konzept der „echten“ Gestaltung entgegen. Nach Möglichkeit wurden alle Motive der gestalterischen Grafik aus Oberflächen der Ausstellungsexponate entwickelt. Jede Etage beherbergt Meilensteine der Geschichte und jeder Ausstellungsraum widmet sich einem eigenen Thema. Die Themen der einzelnen Räume wurden von studio exhibit entwickelt und führen annähernd chronologisch durch die Jahrtausende. Der Besucher taucht im Rundgang durch die Räume in eine immer andere Welt ein und ist eingeladen, sämtliche Themen mit möglichst vielen Sinnen zu erleben.
Jedem Schloss seinen Schatz
Wo passt eine Schatzkammer besser hin als in ein Schloss? Quasi als Morgengabe zur Neuaufstellung hat das Land Niederrösterreich Schloss Asparn/Zaya den so genannten Schatzfund von Wiener Neustadt zur Präsentation überlassen! Dieser mittelalterliche Fund besteht aus Gefäßen, Ringen und Gewandspangen. Was verbreitet Schmuck? Glamour: und Glamour muss in glamourösem Rahmen präsentiert werden. Bei der Gestaltung dieser Sonderflächen wurden zwei Ziele verfolgt: eine moderne Präsentation von wertvollen Schmuckstücken sowie das Eintauchen in eine mittelalterliche Bilderwelt. Die abgedunkelten Räume sind geprägt von Schwarz und Gold und erzeugen eine Aura des Majestätisch-Edlen. Die Fenster sind üppig mit schwarzem und weißem Voile verhängt, die Überlänge erinnert an den Faltenwurf mittelalterlicher Gewänder. Auf den Wänden finden sich thematisch zugeordnete und in Gold gehaltene Szenerien wieder, inspiriert durch mittelalterliche Buchmalerei.
Und es wird doch wahr
Auf zahllose, unendlich lange Sitzungen mit den Wissenschaftlern, dem Kernteam, dem Auftraggeber, den ausführenden Architekten und Gewerken, folgten – durch zähes Ringen begleitete – Sitzungen über mögliche Einsparungen. Langsam stellt sich das Gefühl ein: Das endet nie. Die Leistung eines Gestalters besteht nicht nur in einer kreativen Idee. Es braucht Ausdauer, Durchsetzungsvermögen und viel Geduld, um die Idee bis zur Realisierung zu begleiten, zu verbessern und beschützen. Wenn der Gestalter auf der Baustelle steht und sieht, wie nach zweijähriger Planung die gedachten Räume real werden, dann stellen sich beglückende Momente ein.
Finale
Somit „gehört“ das Museum jetzt nicht mehr uns, die es über zwei Jahre gedacht, geplant und gebaut haben, sondern Ihnen – den Besuchern -, die sich auf die Spurensuche der Geschichte der Menschheit, der Geschichte Niederösterreichs und speziell Ihrer eigenen Geschichte, begeben. Wir als Gestalter hoffen, dafür die richtigen Brücken gebaut zu haben! Viel Spaß beim Entdecken mit möglichst vielen Sinnen!